Feldforschung in Brasilien (03.2022)
Im Rahmen des COVIDGI-Projekts wurden Interviews und Fokusgruppen in Porto Alegre und São Paulo durchgeführt, um Primärinformationen über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Land zu sammeln. Die Notwendigkeit der Feldarbeit ergibt sich aus einer Lücke in den Daten über das Verhalten auf der innerstädtischen Ebene. Diese Lücke schafft ein unsicheres Entscheidungsumfeld, das zu politischen Reaktionen führt, denen der Kontext fehlt und die negative, unbeabsichtigte Folgen haben können. Darüber hinaus verringern bestimmte Faktoren wie Ideologien oder der Lebensunterhalt die Bereitschaft, sich an nicht-pharmazeutische Maßnahmen zu halten. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Motivationen für bestimmte Verhaltensweisen zu verstehen, einschließlich derer, die ideologischen Ursprungs sind oder dem Schutz der Lebensgrundlagen dienen. Wir haben die Mobilität als exemplarisches Verhaltensmerkmal ausgewählt, da sie eng mit der Politik der sozialen Distanzierung verbunden ist, sich leicht mit bestehenden Bewegungsmetriken korrelieren lässt und wir davon ausgehen, dass ihre Praktiken durch die Pandemie stark beeinträchtigt wurden.
Wir haben vier Regionen von Interesse definiert, wobei wir in beiden Städten jeweils eine Region mit mittlerem (oder höherem) Einkommen und eine mit niedrigerem Einkommen anstrebten. Zu diesem Zweck befragten wir 40 Personen und führten Fokusgruppen mit 34 von ihnen durch. Eine erste Pilotstudie wurde Mitte Dezember 2021 in Porto Alegre durchgeführt, eine zweite Runde folgte im März 2022 in Porto Alegre und São Paulo.
Es war ein bereichernder Prozess mit vielen Erkenntnissen, die auf Herausforderungen für die psychische Gesundheit bei allen Gruppen hindeuten, wie z. B. zunehmende Gefühle von Angst, Unsicherheit und Furcht, die zu Schlaflosigkeit, stressbedingtem Essen und Trinken führen. Die Mobilität hat sich stark verändert, beginnend mit Veränderungen zu einem eher lokalen Leben, wie z. B. der Einschränkung von Fahrstrecken und begrenzten sozialen Kontakten, die nur im engen Freundes- und Familienkreis stattfinden. Öffentliche Verkehrsmittel wurden ebenfalls von allen Gruppen als Belastung empfunden, aber die Gründe für den Verzicht auf sie waren unterschiedlich. In der Mittelschicht boten Mitfahr-Apps oder private Autos sicherere und bequemere Alternativen. Für die einkommensschwächeren Gruppen war die Wahl schwieriger: Für einige waren die öffentlichen Verkehrsmittel überfüllt und ließen kein social distancing zu. Für andere wiederum wurden die Ticketpreise angesichts von Arbeitslosigkeit und Armut zu teuer, und für viele bestand die Lösung darin, überhaupt nicht zu reisen. Mehr über diese Ergebnisse werden wir in unseren nächsten Veröffentlichungen berichten. Folgen Sie unserem Twitter-Feed für aktuelle Informationen und Teaser!
Die Entwicklung der Feldforschung während der Pandemie war schwierig, da sie um mehr als 18 Monate verschoben werden musste. Dennoch wurden alle Herausforderungen mit Hilfe von Partnern wie PROPUR-UFRGS (https://www.ufrgs.br/propur/en/inicial-en/), INSPE (https://www.inspe.eco.br/), IAB-SP (https://www.iabsp.org.br/) und To Brasil (https://teto.org.br/) gemeistert. Wir danken Euch ganz herzlich und wissen Eure Beiträge sehr zu schätzen.